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Schon wieder diese römische Unruhe.

Ich spürte, dass gerade jetzt etwas passiert in der Stadt.

Oder sich ankündigt.

Irgendwo in den schmalen Gassen im Centro. Heraufzieht wie ein Gewitter.

Es war früher Abend. Und es war ein wenig kühler geworden, nach der ungewöhnlichen Hitze Anfang November. Ich musste einige Einkäufe erledigen und öffnete die Fenster, um die Wohnung mit frischer Luft zu versorgen, während ich in der Nähe des Campo de' Fiori zum Einkaufen bin. Als ich vom Fenster auf die Via di Tor Millina hinunter schaute, mich ein wenig hinaus beugte, über die Fensterbank lehnte, bemerkte ich sofort, dass irgendwo in der Stadt etwas Ungewöhnliches geschieht.

Etwas Wildes und Gefährliches.

Etwas nachhaltig Dunkles.

Ich konnte das daran erkennen, wie die Menschen unten in der Gasse aneinander vorüber gingen. Wie sie die Bücher und Zeitschriften unter den Arm geklemmt hatten. Aus den Geschäften und Lokalen aufs Pflaster hinaus traten.

Ihre Fahrräder lenkten.

Ihre Schritte setzten.

Schauten.

Atmeten.

In den letzten Monaten hatte ich gelernt, diese Merkmale zu lesen.

Ich holte meinen über die Gasse hinaus gelehnten Körper ein, zog meine Schuhe an und verließ die Wohnung. Lief durchs Trübe die Stiegen nach unten, die Treppenhausbeleuchtung funktionierte nicht.

Schon seit Tagen.

Darum kümmerte sich aber keiner. Allerdings hatte ich mich daran schon gewöhnt, tagelang zu warten, wenn irgendetwas im Haus zu reparieren ist. Ich kannte es zur Genüge, im Winter in der kalten Wohnung zu sitzen, wenn die Heizung ausgefallen war.

Oder ohne Wasser zu sein.

Vor dem Haus stand der Obdachlose, der ein wenig Deutsch sprach. Er sondierte die Lage für die Nacht. Unsere Blicke trafen sich und ich hielt ihm die Tür offen. Neben dem Eingang gab es eine kleine Abstellkammer. Die nutzte er hin und wieder als Schlafplatz, wenn er jemanden fand, der ihm die Tür öffnete. Die Eigentümer des Hauses sahen das nicht gerne.

Ich ging auf die Piazza Navona hinüber und von dort in Richtung Campo de' Fiori. An der Ampel über den Corso Vittorio Emanuele roch es nach Rauch. Dieser zog sich als markanter Faden durch die Abgase, die Tag und Nacht den niemals abreißenden Strom von Autos und Motorrädern einhüllten.

Schon wieder diese römische Unruhe.

Offensichtlich steuerte ich gerade auf ihr Zentrum zu.

Jene, die neben mir an der Ampel standen, schienen durch den Rauchgeruch nicht irritiert zu sein. Ich überquerte den Corso, ging in die Via dei Baullari.

Als ich den Campo de' Fiori erreichte, zogen bereits dichte Rauchschwaden von der Piazza Farnese herein.

Ich käme nie auf die Idee irgendwo hin zu gehen, um etwas brennen zu sehen. Oder tumultartige Zustände.

Ausschreitungen.

Ich ging jetzt nur jenen Weg, den ich ohnehin gehen wollte, um einige Dinge einzukaufen, die ich dringend benötigte. Darum ließ ich mich in diesem Moment von der Situation nicht von meinem Vorhaben abbringen.

Ich ging also weiter in jene Richtung, aus welcher der Rauch zu kommen schien. Ich querte bereits die Piazza Farnese, hielt mich links und ging auf die Via del Mascharone zu.

Von der Piazza sah ich bereits das Feuer. Ich ging noch einige Schritte, konnte dann aber doch nicht in die Via del Mascharone, wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte, da die Flammen auf der linken Seite an den Mauern bis zum zweiten Stockwerk hinauf schlugen.

Das Fensterglas zersprang und regnete auf die Gasse herunter.

Auf die vielen Schaulustigen.

Eine Reihe Motorräder brannte.

Vermummte rannten gerade am anderen Ende der Via. Bogen nach links in die Via Giulia.

Dort werden sie ihre Hauben, die sie über die Köpfe und Gesichter gezogen haben, herunter reißen, dachte ich. Ihr Tempo drosseln, unbeteiligt tun, um in den Menschenmassen sofort unsichtbar zu werden.

An dem Feuer konnte ich nicht vorbei. Das sah ich ein. Ich hielt mich deshalb nicht länger als nötig hier auf.

Ich hörte die Sirenen. Polizei und Feuerwehr waren schon in der Nähe. Ich machte kehrt. Muss einen kleinen Umweg machen. Von meinem Vorhaben, meine Einkäufe zu erledigen, ließ ich mich deswegen ja nicht abbringen.